EIN FEIERTAG FÜR DIE WERBEINDUSTRIE

Der Valentinstag wurde von der Grußkarten- und Blumenindustrie erfunden.* Ob das tatsächlich stimmt oder nicht sei mal dahingestellt. Fest steht, dass sich dieser Mythos schon eine ganze Weile hält, weil dieser Tag für beide Branchen wohl mit der lukrativste im ganzen Jahr ist.

von Lana Debus

Der Mensch liebt Anlässe zum Feiern und das weiß auch die Werbeindustrie. Besonders an solchen Tagen ist es einfach bestimmte Produkte mit Bedeutung aufzuladen und entsprechend zu vermarkten. Zu Ostern gehören Schokohasen und Ostereier, zu Silvester Wunderkerzen und Feuerwerkskörper. Und zu Weihnachten – dem Konsumefest überhaupt – massenweise Geschenkgutscheine, Dominosteine und der Coca-Cola Weihnachtsmann.

Besonders in den USA wird gerne alles und jeder gefeiert. Rund 1.500 Feiertage können hier jährlich gefeiert werden, das sind im Durchschnitt vier Anlässe pro Tag. Vom „National Day of the Cowboy“ bis hin zum „National Cook For Your Pets Day“ ist alles dabei – da kommt man gar nicht mehr aus der Feierlaune raus. Natürlich sind fast alle dieser National Days keine gesetzlich eingetragenen Feiertage. Trotzdem gibt es jährlich genug Menschen, die auch diese Tage zum Anlass nehmen sich mit einem bestimmten Thema oder Produkt auseinanderzusetzen.
Mittlerweile feiern wir auch hierzulande Tage, die nicht zu unseren gesetzlichen Feiertagen gehören, einfach weil auch wir vom Black Friday- oder Halloween-Sale auf Amazon und Co. profitieren wollen.

Ein Hoch auf die Tiefkühlkost
1984 führte der damalige US-Präsident Ronald Reagan mit der Proklamation 5157 den „National Frozen Food Day“ ein – als Liebeserklärung an die Tiefkühlkost. Am 6. März sollen US-Bürger:innen jährlich der guten alten TK-Pizza und dem TV-Dinner gedenken und es feierlich zelebrieren – genau an dem Tag, an dem die Firma „Birds Eye Frosted Foods“ die erste Tiefkühlkost auf den amerikanischen Markt brachte. Es soll dem Mut und Pioniergeist der Erfinder gedacht werden, die eine neue Technik zur Haltbarmachung von Lebensmitteln entwickelten und damit die Welt veränderten. „I call upon the American people to observe such a day with appropriate ceremonies and activities“, so der ehemalige Präsident. Sehr lobenswert, aber was sind denn bitte angemessene Aktivitäten um Tiefkühlkost zu gedenken? Wer das beantworten kann, scheint klar zu sein: Firmen und Geschäfte, die Tiefkühlkost verkaufen.

Und für alle, die keinen Jahresbatzen Eiscreme gewonnen haben: Gar nicht schlimm, ihr könnt den Brei ja jederzeit auch im Supermarkt kaufen, falls ihr das vergessen hattet und durch den Post jetzt doch richtig Bock bekommen habt. Sehr löblich, dass uns die Marken selbst noch einmal daran erinnert haben.

Man muss aber nicht einmal US-Präsident:in werden, um Feiertage auszurufen. Ratet doch mal, wer den „National Pecan Day“ ausgerufen hat? Natürlich die National Pecan Shellers Association, wer denn sonst. Dieser Organisation liegt die kleine Pekannuss (und vor allem auch der dazugehörige Schälprozess) seit 1943 so sehr am Herzen, dass sie sich 1996 dazu entschieden, ihr mit dem 14. April einen Ehrentag zu widmen. Die beste Methode diesen Tag zu feiern ist wohl traditionell einen Pecan Pie zu backen. Aber wer nicht schon vorher Fan der Nuss war, den wird dieser Tag auch nicht mehr wirklich umstimmen können. Trotzdem wird einem das Thema wieder ins Gedächtnis gerufen, bis man eines Tages vielleicht doch mal im Supermarkt vor dem Snackregal steht und sich fragt, wo der Heißhunger auf Studentenfutter herkommt.

Was feiertagsmäßig nicht passt, wird also feiertagsmäßig gemacht – und damit auch direkt ein Grund geschaffen, endlich mal über sich selbst reden zu dürfen. Auf der Facebook-Seite der Association wird übrigens trotzdem auch jeder andere lebensmittelthematische Feiertag, wie der World Vegetarian Day oder der der National Cinnamon Roll Day, genutzt, um einen Rezept-Post mit Pekannüssen rauszuhauen. Hier bleibt kein Feiertag ungenutzt.

Wer macht diese Feiertage bekannt?
Das amerikanische Ehepaar Ruth und Tom Roy sind wohl die Rekordhalter, wenn es um die Schaffung neuer Feiertage geht. Bereits in den 1980er Jahren begann Tom Roy sich zusammen mit seiner Frau kuriose Feiertage für seine Radiosendung auszudenken. Mittlerweile haben sie mit ihrer Firma Wellcat mehr als 85 eingetragene Feiertage ins Leben gerufen. Vom „Get A Different Name Day“ bis hin zum „Hug An Australian Day“ ist fast alles dabei, wobei zu jedem Tag auch eine entsprechende „Gebrauchsanleitung“ geliefert wird.
Auch Webseiten wie National Day Calendar oder National Day Archives sammeln nicht nur sämtliche Feiertage übersichtlich auf ihrer Seite. Sie haben auch gleich ein Geschäftsmodell entwickelt, bei dem der eigene Feiertag direkt über die Seite offiziell angemeldet werden kann. Während dies früher auch für Einzelpersonen möglich war, haben mittlerweile nur noch Marken und Firmen die Möglichkeit, ihren Antrag auf einen Feiertag bei einem Komitee einzureichen. Wird der Antrag angenommen, kann der Tag gegen eine entsprechende Gebühr ganz offiziell zum Feiertag gemacht werden.

Having your own National Day, Week or Month can bring you, your company or cause special recognition every year.

– nationaldaycalendar.com

Wer schon einmal den David Foster Wallace-Roman „Unendlicher Spaß“ von 1996 gelesen hat, wird darüber gestolpert sein, dass die Handlung unter anderem im „Jahr des Perdue Wunderhuhns“ oder im „Jahr der mäuschenstillen Maytag-Spülmaschine“ spielt. Hat sich das Zeitalter des Konsums also nun vollkommen manifestiert und unsere Zeitrechnung ebenfalls über den Haufen geworfen? Was für ein absurder Gedanke will man meinen – wie kann denn jemand einfach ein ganzes Jahr kaufen? So weit sind wir noch nicht, es ist aber bereits möglich ganze Wochen und Monate für seinen Anlass zu buchen.

Wenn der Feiertag zum Denkanstoß wird
Nicht jeder neu angemeldete Feiertag soll aber zwingend zum Produktkauf anregen. Es gibt auch Organisationen, die mit der Registrierung nur auf Themen hinweisen wollen. Angelehnt an den 1. April, den April Fool’s Day, kann seit 2004 am gleichen Tag auch der „Fossil Fools Day“ gefeiert werden. Bei diesem Wortspiel handelt es sich um einen von nordamerikanischen Umweltorganisationen gegründeten Tag, an dem auf die schädliche Nutzung von fossilen Energien aufmerksam gemacht und auch über alternative Energiequellen aufgeklärt werden soll. Weltweit haben sich viele Feiertage mit gemeinnützigem Hintergrund etabliert, wie beispielsweise der Welt-Aids-Tag oder auch ganze Monate wie der Movember – der Moustache November – in dem sich Männer einen Bart wachsen lassen, um auf Prostatakrebs aufmerksam zu machen. Daran sieht man, dass die Nutzung von Ehrentagen auch im Rahmen guter Zwecke funktionieren kann.
Der „Internationale Tag des Kaffees“ am 01. Oktober wird mittlerweile dazu genutzt,um Kaffeeliebhaber:innen über fairen Anbau von Kaffeebohnen oder die Umweltbelastung von Nespresso-Kapseln aufzuklären. In der Realität wird der Tag aber wohl nur von Cafés und Heißgetränke-Giganten wie Starbucks und Tchibo ausgenutzt, um Eigenwerbung zu betreiben. Wenn ihr Glück habt, springt dabei aber immerhin ein Gratis-Kaffee für euch heraus!

Egal ob „Tag des Zebrastreifens“, „Tag des Kirschkernspuckens“ oder „Don’t Step On A Bee Day“, irgendwer findet immer einen Grund und einen passenden Feiertag, um über sich und seine Produkte zu reden. Steht der passende Feiertag an, kann auch schon Tage im Voraus darüber geredet und Werbung gemacht werden.
Die Tatsache, dass der „National Barbecue Spareribs Day“ auf den 4. Juli – den Unabhängigkeitstag der USA – fällt, scheint übrigens auch kein Zufall zu sein. Was sonst könnte amerikanischer sein, als seine Freiheit mit einem brutzelnden Stück Fleisch auf dem eigenen Grill zu zelebrieren. Also ab in den Supermarkt und Rippchen kaufen. Und während diese schön zwölf Stunden in ihrer BBQ-Marinade durchziehen müssen, kann man ja mal darüber sinnieren, wer einem eigentlichen diesen Lifestyle schmackhaft gemacht hat, den man jetzt sein Eigen nennt.


* Antwort: Stimmt nicht so ganz, den Gedenktag an Valentin von Rom, den Schutzpatron der Liebenden, gibt es schon seit dem 5. Jahrhundert. Im 15. Jahrhundert kamen dann sogenannte Valentinsbräuche zwischen Ehepaaren in England auf, die diese Tradition auch mit in die USA brachten. In Deutschland feiert man den Valentinstag erst seit den 1950er Jahren, als stationierte US-Soldaten den Feiertag im Nachkriegsdeutschland bekannt machten. Und deshalb werden auch hier Mitte Februar jeden Jahres fleißig rote Rosen verschickt, herzförmige Pralinenschachteln in den Supermarkt gestellt und Rom-Com-Filmmarathons auf Netflix veranstaltet. 💕